Arbeite mit unsMan glaubt es kaum, aber in Indien (+21.2%), Japan (+2.3%) und Südkorea (+28.8%) erleben physische Tonträger noch Wachstum!
Ein Grund mehr für mich, mir die aktuelle Entwicklung des weltweiten Musikmarktes (im Bereich Recorded Music) etwas näher anzuschauen und meine Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen mit Dir zu teilen. 🙂
Der Musikmarkt wächst insgesamt, und zwar nun schon das vierte Jahr in Folge. Einnahmen aus Musikverkäufen sind in 2018 weltweit um 9,7% gestiegen. Dies ist die höchste Wachstumsrate seit 1997.
Damit kommt die Branche für 2018 zu Gesamteinnahmen in Höhe von 19,1 Milliarden US-Dollar.
Das ist prima, wenngleich wir noch ein gutes Stück weg sind von den goldenen Jahren. In 1999 hatte die Branche einen weltweiten Gesamtumsatz von 25,2 Milliarden US-Dollar erreicht.
Danach ging es bis einschließlich 2014 fast kontinuierlich bergab. Der Aufschwung kam dann ab dem Jahr 2015, ausgelöst durch die ansteigende Verbreitung von Streaming.
Zurück zu 2018 – wie verteilen sich die 19,1 Milliarden US-Dollar?
- Streaming: 47% (Subscriptions: 37%, Ad-supported: 10%)
- Physical: 25%
- Performance Rights (revenue from the use of recorded music by broadcasters and public venues): 14%
- Downloads & other digital (excl. Streaming): 12%
- Synchronization Revenue: 2%
Streaming
- Streaming macht also mit 47% nahezu die Hälfte der weltweiten Einnahmen aus. Global zahlen inzwischen ca. 255 Mio. Menschen für ein Streaming-Abo.
- Die Streaming-Umsätze sind im Vergleich zu 2017 um 34,0% gestiegen.
Hat Streaming seinen ‚Höhepunkt‘ erreicht?
Nein, Streaming wird weiterwachsen, wenn auch die weltweiten Wachstumsraten insgesamt bereits wieder zurück gehen:
- 2018: 34,0%
- 2017: 41,1%
- 2016: 60,4%
Ist es sinnvoll auf Streaming zu setzen?
Ja, Streaming ist der zukunftsfähigste Vertriebskanal für recorded music. Ein Album oder Song nicht auf Spotify und co. zu platzieren ist entweder ‚fahrlässig‘ oder Teil einer ausgeklügelten Strategie.
Bei der Veröffentlichung von Alben, EPs oder Singles muss immer die individuelle Situation des Künstlers und vor allem die Zielgruppe betrachtet werden.
In der Regel empfehle ich eine parallele Veröffentlichung auf sämtlichen Kanälen.
In Einzelfällen ist ein sogenanntes Windowing angebracht, d.h. ein zeitversetztes Veröffentlichen auf unterschiedlichen Kanälen.
So z.B. bei der Nutzung von Premiumpaketen. Da kann es unternehmerisch Sinn machen, bestimmte Tracks von den Streaming- und Downloadplattformen temporär fernzuhalten und diese zunächst ausschließlich in physischer Form darzubieten.
Darüber hinaus kann auch der gezielte Vorabverkauf von der eigenen Website an die vorhandene Fanbase ein sinnvolles Szenario darstellen, bevor es dann über alle Kanäle an die breitere Öffentlichkeit geht.
Wenn der Künstler einen Backkatalog hat, dann sollte dieser schnellstens auf den Streamingplattformen platziert werden. Je mehr Songs, um so eher kann der Künstler die Vorschlags-Algorithmen der Plattformen für sich nutzbar machen.
Was ist mit digitalen Downloads?
Ich vermute, dass die großen Stores in spätestens 3-5 Jahren dicht machen bzw. nur noch Streaming anbieten werden.
- In 2018 sind die Download-Umsätze um 21,2% zurückgegangen.
- Damit liegt der weltweite Umsatzanteil bei nur noch 12% und bezogen auf Deutschland nur noch bei knapp 8%.
Eigene MP3 Sammlungen machen (außer Arbeit) einfach keinen Sinn mehr. Die Streamingdienstleister sind i.d.R. besser sortiert und bieten deutlich mehr Songs.
Wie sieht es mit der guten alten CD oder auch Vinyl aus?
- Der physische Bereich ist weltweit um 10,1% auf nunmehr 25% Umsatzanteil geschrumpft. Doch Achtung, es gibt nach wie vor Märkte, wie Indien (+21.2%), Japan (+2.3%) und Südkorea (+28.8%), die hier selbst in 2018 noch gewachsen sind.
- In Ländern wie Japan (71%), Polen (47%) und Deutschland (35% bzw. 43,3% laut GFK) werden nach wie vor bedeutende Umsätze mit physischen Formaten erzielt.
- Vinyl wächst seit 13 Jahren kontinuierlich in kleinen Schritten und hat in 2018 einen Anteil von 3,6% am weltweiten Gesamtmarkt.
- In Deutschland erreichte die Schallplatte laut BVMI einen Umsatzanteil von 4,4%, wuchs allerdings in 2018 erstmalig nicht mehr bzw. musste einen Rückgang gegenüber 2017 von 5,2% hinnehmen.
Wenn Deine Zielgruppe im Schnitt älter als Jahrgang 1970 ist, dann macht eine physische CD nach wie vor Sinn.
Musiker, die viel Live spielen sind mit CDs im Gepäck oder auf dem Merch-Table ebenfalls gut beraten. Doch auch hier hilft der Blick auf die Altersstruktur der Konzertbesucher.
Welches sind die größten Musikmärkte nach Umsatz in 2018 weltweit?
USA, Japan, UK, Deutschland, Frankreich, Südkorea, China, Australien, Kanada, Brasilien (in dieser Reihenfolge).
In welchen Regionen wächst der Markt?
- Südkorea: +17,9%
- Lateinamerika: +16,8%
- Nordamerika: +14%
- Asien/Australasia: +11,7%
- Europa: +0,1%
Deutschland war in 2018 der einzige europäische top-10 Markt, der ein Umsatzrückgang (9,9%) zu verzeichnen hatte. Dieser Rückgang ist zum Teil der Entwicklung weg von einem physisch geprägten hin zu einem digitalen Markt (Streaming) geschuldet. Die meisten anderen top-10 Märkte haben diesen Wandel bereits verstärkt in den letzten Jahren vollzogen.
Fazit
Es ist gut, dass die Einnahmen mit Recorded Music weltweit wieder ansteigen. Dies ist der Streamingtechnologie zu verdanken, die von den Konsumenten mehr und mehr angenommen wird.
Künstlern mit vergleichsweise geringen Hörerzahlen mag das für den Moment nicht helfen. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass das aktuelle Vergütungsmodell nicht für immer und ewig so bleibt wie es ist.
Außerdem – ein steter Tropfen höhlt den Stein. Streaming Einnahmen rechnen sich nicht von jetzt auf gleich – über einen Zeitraum von mehreren Jahren aber durchaus.
Unausgeschöpfte Märkte wie Brasilien, China, Indien und Südkorea bergen noch viel Potenzial. Ob man als deutscher Künstler davon profitieren kann, muss im Einzelfall geprüft werden.
In Deutschland wird es noch zu einer stärkeren Umverteilung Richtung digital kommen. Momentan machen physische Tonträger (abhängig von der Zielgruppe) durchaus noch Sinn. In 5 Jahren nur noch in Einzelfällen.
Ich gehe davon aus, dass uns die Streaming-Technologie über die nächsten Jahrzehnte erhalten bleibt. Die Endgeräte mögen einmal anders aussehen, ebenso die Plattformen, Dienste und Abrechnungsmodelle. But Streaming is here to stay!
Aus Künstlersicht empfehle ich mindestens 1x jährlich zu prüfen, was Sinn macht. Wer und wo ist meine Zielgruppe. Was wünscht sich meine Zielgruppe? Was ist für mich nachhaltig?
Last but not least bleibt noch zu sagen, dass die vom IFPI (Weltverband der Phonoindustrie bzw. International Federation of the Phonographic Industry) erhobenen Zahlen natürlich nicht alle Einkommenskanäle von Musikern berücksichtigen. Berücksichtigt wurde Recorded Music.
Einnahmen durch GEMA/GVL, Live-Konzerte, Crowdfunding und sonstiges Fanbased-Income (Patreon etc.) sind hier außen vor. Wenn Interesse besteht, diese Einkommensformen stärker zu nutzen, bin ich gerne 1x jährlich zu prüfen.
Quellen:
Global Music Report 2019 – State of the Industry
Bundesverband Musikindustrie e. V.